Montag, 2. April 2012

Schauspielstudenten der Theaterakademie begeistern mit der Abschlussinszenierung

Pressestimme zur Abschlussinszenierung der Schauspielschule Mannheim

In Schönheit stirbt das Ich
Marius von Mayenburgs „Der Hässliche“ als Aufführung der Theaterakademie in Mannheim

Für seine Abschluss-Inszenierung hat der aktuelle Jahrgang der Theaterakademie Mannheim Marius von Mayenburgs Stück „Der Hässliche“ ausgewählt. Eine sehr gute Idee: Das aus drei Männern und einer Frau bestehende Ensemble brachte eine rasante Komödie auf die Bühne des Theaters Felina- Areal. Regie führte der Nationaltheater- Schauspieler Sven Prietz. Die Wahrheit ist hart, und sie wird auch nicht beschönigt: Lette ist ein hässlicher Mensch, er sieht einfach absolut schauderhaft aus. Ohne Umschweife und ohne die mildernde Verwendung beschönigender Floskeln sagt ihm das seine Umgebung auch – seine Frau, sein Chef, sein Assistent sogar. Das ganze Gesicht ist so unmöglich, dass der Mann auf keinen Fall wie geplant die Präsentation seiner eigenen Erfindung – eines Steckverbinders – auf einem Kongress vornehmen kann. An dieser, allerdings auch wirklich nur an dieser Stelle ist die Fantasie des Zuschauers gefragt. Denn natürlich ist Markus Schultz, der den Lette spielt, überhaupt kein hässlicher Mensch, er sieht sogar ganz gut aus. Aber was sind das eigentlich auch für Kategorien: hässlich, gutaussehend? Wer definiert sie und wer entscheidet darüber, für wen welches Urteil gilt? Fragen, die Sven Prietz‘ Inszenierung ganz subtil und nebenbei stellt. Lettes Lösung des Problems besteht zunächst darin, sich – seines Selbstbewusstseins beraubt – auf den OP-Tisch eines Schönheitschirurgen (Benjamin Dami) zu legen, der die Verhübschung seines ach so furchtbar hässlichen Gesichts als „interessante Herausforderung“ begreift.Das Laken allerdings, das die Arzthelferin (Canan Kir) über den Patienten breitet, hat etwas von einem Leichentuch. Und tatsächlich stirbt hier etwas, in einem schleichenden Prozess, der mit der Operation begonnen hat: Lettes Identität. Weil er mit dem neuen Gesicht so erfolgreich ist, beginnt der Arzt es bald massenhaft zu vertreiben. Und plötzlich hat jeder diese Gesichtszüge, die gleiche Nase, die symmetrische Augenpartie.
Sogar Karlmann, der Assistent (Felix Berchtold), sieht jetzt aus wie der neue Lette. Autor Marius von Mayenburg hat noch einige Elemente eingebaut, die die Komödie zur Farce werden lassen, und Regisseur Sven Prietz hat sie dankbar aufgenommen. Da taucht plötzlich eine reiche alte Frau auf, die Lette verführt, und zwar gemeinsam mit ihrem zur homosexuellen Attitüde neigenden Sohn. Allerdings sind sie sich bald nicht mehr sicher, wen sie da in ihrer Mitte haben – die sehen ja alle gleich aus. Auch Lettes Frau kann bald nicht mehr auseinanderhalten, mit wem genau sie ein außereheliches Verhältnis pflegt. Und am Ende weiß auch Lette selbst nicht mehr, wer er eigentlich ist: „Ich kann nicht leben ohne mich.“ Als die Geschichte komplett ins Groteske abzudriften droht, ist sie zu Ende erzählt. Genau rechtzeitig. Und die vier Mitglieder des Quartetts sind von Schauspielschülern zu Schauspielern geworden: mit einem großartigen Stück, wie sie es hoffentlich noch oft spielen werden – voller Tempo, Witz und Dynamik. Schon das Zuschauen hat wahnsinnig viel Spaß gemacht.

Quelle: RP

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