Dienstag, 3. April 2012

Der Hässliche

Herr Lette ist hässlich – unsagbar hässlich. Deshalb darf er auch seine große Erfindung, den 2CK-Steckverbinder, bei einem großen Kongress nicht präsentieren und muss seinem Kollegen Karlmann den Vortritt lassen, da er sonst die Kunden vergraulen würde. Auch seine Frau Fanny findet Lette hässlich, weshalb er sich zu einer Schönheitsoperation entschließt, um im privaten und beruflichen Umfeld mehr Erfolgschancen zu haben. Die Operation gelingt Chirurg Scheffler so gut, dass Lette nun bei den Kunden seiner Firma sehr viel besser ankommt – vor allem bei den weiblichen. Die Zahl der Verehrerinnen steigt ebenso schnell wie die Frustration seiner Ehefrau. Euphorisiert durch sein neues Aussehen und Image stellt Lette sowohl seinem Chef als auch seiner Frau hohe finanzielle und persönliche Forderungen. Chirurg Scheffler brüstet sich mit der Schaffung von Lettes neuem Gesicht und bald wollen alle so aussehen wie Lette – und die neuen „Lettes“ sind sowohl im privaten Umgang angenehmer als auch im beruflichen Umfeld besser „verwertbar“, weshalb Lette bald Frau und Job verliert.

Foto: Simone Cihlar

Worte auf den Weg

„Was bleibt übrig von den inneren Werten, wenn sie nicht durch äußere beglaubigt sind? Ist die Individualität, um die sich alle so bemühen, nicht in Wirklichkeit ein großes Hindernis auf dem Weg zum Erfolg? Mayenburg zeigt Identität als Ware, die aus erfolgsabhängiger Beurteilung durch Andere nach dem Baukastenprinzip entsteht; der Körper als formbarer Rohstoff und Ich- Präsentation zugleich. Erfolgreiche Ich-Werdung verlangt heute absolute Identifikation. Nur mit was?“ Was bewegt die fast fertigen Schauspielstudenten sich mit der Identität und dem Schönheitswahn zu beschäftigen? Wie ist die Gewichtung in der Schauspielkunst zwischen Schönheit und Geist; Inhalt und Form? Wie ist es mit der Identität, wenn sie im Spiel ständig andere Identitäten annehmen? „Erfolgreiche Ich-Werdung verlangt heute absolute Identifikation. Nur mit was? Bin ich noch ich selbst, wenn ich aussehe wie ein anderer? Was bleibt übrig von den inneren Werten, wenn sie nicht durch äußere beglaubigt sind?“ Erfolg ist kurzfristig und an Äußerlichkeiten und auch an Glück und nicht immer an Können gebunden, vor allem in der darstellenden Kunst. Das werden sie auch auf ihrem Weg merken. Aller guten Dinge sind vier, drei noch aus der ursprünglichen Gruppe vom Beginn an in einem Semester, dazu gesellt sich Felix, der wegen eines Engagements ein Semester freigestellt war. Drei von ihnen sind schon am Nationaltheater Mannheim zu sehen gewesen, andere im Theater Heidelberg und auch im TiG7 und im Chawwarusch nun stellen sie sich mit ihrer Abschlussinszenierung dem Publikum vor. Mut, Entschlossenheit und Neugier bringen sie mit an den Start, Bühnenluft haben Sie alle schon geschnuppert, also los geht’s! Sie sind bereit zum Durchstarten, wir wünschen ihnen dabei alles Gute.

Silvana Kraka & Mario Heinemann-Jaillet
Schulleitung der Theaterakademie Mannheim

Foto: Simone Cihlar

Montag, 2. April 2012

MANNHEIM. Marius von Mayenburgs Komödie „Der Hässliche“


MANNHEIM. Marius von Mayenburgs Komödie „Der Hässliche“ feiert am Freitag, 30. März, 20 Uhr, Premiere im Theater Felina Areal (Holzbauerstr. 6-8). Die Produktion mit der Abschlussklasse der Theaterakademie Mannheim wurde von NTM-Schauspieler und Petersen-Preisträger Sven Prietz inszeniert.

Weitere Aufführungen des Spiels um Wahr- und Schönheit sind am 31. März, 15. und 22. April sowie 9. und 10. Mai zu sehen. Karten (12/6 Euro) unter 0621/33 64 88 6 oder per Mail an info@Theater-Felina-Areal.de.
— mit Markus Schultz und Canan Kir  Felix Berchtold und Benjamin Dami : Theater Felina-Areal.

Foto: Simone Cihlar

Nationaltheater-Schauspieler Sven Prietz inszeniert zusammen mit Absolventen der Theaterakademie Mayenburgs „Der Hässliche“

Felix Berchtold als Karlmann in der Inszenierung "Der Hässliche"
Was ist überhaupt schön?
Nationaltheater-Schauspieler Sven Prietz inszeniert zusammen mit Absolventen der Theaterakademie Mayenburgs „Der Hässliche“

Seit fünf Jahren ist Marius von Mayenburgs Komödie „Der Hässliche“ ein Dauerbrenner an großen und kleinen Theatern. Über 60 Inszenierungen im In- und Ausland gab es seit der Uraufführung 2007 an der Berliner Schaubühne. Heute kommt eine weitere hinzu: Am Theater Felina-Areal bringen Schüler der Theaterakademie Mannheim die Geschichte auf die Bühne. Regie führt der Nationaltheater-Schauspieler Sven Prietz

Auf dem Chefsessel posieren? So nett er ansonsten ist, diesen Wunsch des Fotografen will Sven Prietz auf keinen Fall erfüllen. Arrogant zu wirken – diesen Eindruck will er unbedingt vermeiden. „Ich bin überhaupt nicht der Chef“, sagt er. „Wir erarbeiten hier etwas zusammen.“ Eine bemerkenswert
bescheidene Haltung – schließlich arbeitet Prietz in einem Beruf, in dem Eitelkeit eine wichtige Rolle spielt. Und genau das ist auch das Thema des Theaterstücks, das man ab heute im Theater Felina-Areal sehen kann. In „Der Hässliche“ erzählt der Berliner Dramatiker Marius von Mayenburg von einem Mann namens Lette, der so schlimm aussieht, dass er bei einem Kongress ein Produkt nicht präsentieren darf. Weil selbst seine Frau eine negative Sicht auf sein Äußeres hat, entschließt er sich zur Schönheitsoperation. Die gelingt, das neue Aussehen hat aber einen Schönheitsfehler: Der Arzt hat eine optische Veränderung von der Stange verkauft – und Lette läuft nun mit einem Allerweltsgesicht herum. Das Stück, das vordergründig als Komödie daherkommt, stellt ganz ernste Fragen nach dem Identitätsverlust und thematisiert die Schwierigkeit mit sich wandelnden Schönheitsidealen. „Was ist denn, wenn wir es geschafft haben und alle schön sind? Und was ist, wenn wir alle gleich schön aussehen?“, sagt Prietz. „Das sind die Fragen, die mich interessieren.“ Natürlich auch die ganz grundsätzlichen: Was ist überhaupt schön, was ist hässlich? Der Schauspieler, der Lette spiele, werde bewusst nicht hässlich dargestellt. Es gibt aber noch einen ganz anderen, viel pragmatischeren Grund, warum Prietz sich dazu entschieden hat, genau diesen Stoff zu inszenieren: Er war auf der Suche nach einem Stück, in dem die Rollen ausgewogen auf drei Männer und eine Frau verteilt sind. Denn bei dem Quartett, das bei „Der Hässliche“ auf der Bühne steht, handelt es sich um die Absolventen des aktuellen Jahrgangs der Schauspielschule Theaterakademie Mannheim, denen Prietz im Abschlusssemester Rollenunterricht gegeben hat. „Sie sollen gleichberechtigt die Chance haben, ihr Können zu präsentieren“, sagt Prietz. Dass zwei der Männer jeweils zwei Figuren spielen und die Frau neben zwei größeren auch eine kleinere Rolle, sei keine Notlösung, sondern vom Autor so angelegt. Deshalb eine Verwechslungs- oder Schenkelklopfer-Komödie zu inszenieren, lag Prietz allerdings sehr fern. Mit einem vielfältig einsetzbaren Tisch, besagtem Chefsessel und wenigen Requisiten ist das Bühnenbild sehr sparsam ausgefallen. „Wir wollen nicht, dass die Geschichte im Bühnenzauber erstickt“, sagt der Regisseur, der lacht, wenn er als solcher bezeichnet wird: „Die Hauptarbeit war eigentlich, das Stück zu finden.“ Aber die Arbeit mit dem Schauspiel- Nachwuchs mache ihm viel Spaß. Sven Prietz, der mit Schauspielchef Burkhard C. Kosminski ans Nationaltheater kam und jetzt seine sechste Spielzeit in Mannheim verbringt, hat selbst von 1997 bis 2000 an einer staatlichen Schauspielschule studiert, der Bayerischen Theaterakademie in München. Das Niveau der Theaterakademie Mannheim hält er für sehr gut, aber zur Frage der Perspektiven ihrer Absolventen schweigt er. Das ist nicht sein Terrain, und wo er sich nicht auskennt, hält er sich zurück.

Karten unter 0621/3364886.
Foto: Simone Cihlar
Quelle:Rp
Autor:Nicole Hess

Schauspielstudenten der Theaterakademie begeistern mit der Abschlussinszenierung

Pressestimme zur Abschlussinszenierung der Schauspielschule Mannheim

In Schönheit stirbt das Ich
Marius von Mayenburgs „Der Hässliche“ als Aufführung der Theaterakademie in Mannheim

Für seine Abschluss-Inszenierung hat der aktuelle Jahrgang der Theaterakademie Mannheim Marius von Mayenburgs Stück „Der Hässliche“ ausgewählt. Eine sehr gute Idee: Das aus drei Männern und einer Frau bestehende Ensemble brachte eine rasante Komödie auf die Bühne des Theaters Felina- Areal. Regie führte der Nationaltheater- Schauspieler Sven Prietz. Die Wahrheit ist hart, und sie wird auch nicht beschönigt: Lette ist ein hässlicher Mensch, er sieht einfach absolut schauderhaft aus. Ohne Umschweife und ohne die mildernde Verwendung beschönigender Floskeln sagt ihm das seine Umgebung auch – seine Frau, sein Chef, sein Assistent sogar. Das ganze Gesicht ist so unmöglich, dass der Mann auf keinen Fall wie geplant die Präsentation seiner eigenen Erfindung – eines Steckverbinders – auf einem Kongress vornehmen kann. An dieser, allerdings auch wirklich nur an dieser Stelle ist die Fantasie des Zuschauers gefragt. Denn natürlich ist Markus Schultz, der den Lette spielt, überhaupt kein hässlicher Mensch, er sieht sogar ganz gut aus. Aber was sind das eigentlich auch für Kategorien: hässlich, gutaussehend? Wer definiert sie und wer entscheidet darüber, für wen welches Urteil gilt? Fragen, die Sven Prietz‘ Inszenierung ganz subtil und nebenbei stellt. Lettes Lösung des Problems besteht zunächst darin, sich – seines Selbstbewusstseins beraubt – auf den OP-Tisch eines Schönheitschirurgen (Benjamin Dami) zu legen, der die Verhübschung seines ach so furchtbar hässlichen Gesichts als „interessante Herausforderung“ begreift.Das Laken allerdings, das die Arzthelferin (Canan Kir) über den Patienten breitet, hat etwas von einem Leichentuch. Und tatsächlich stirbt hier etwas, in einem schleichenden Prozess, der mit der Operation begonnen hat: Lettes Identität. Weil er mit dem neuen Gesicht so erfolgreich ist, beginnt der Arzt es bald massenhaft zu vertreiben. Und plötzlich hat jeder diese Gesichtszüge, die gleiche Nase, die symmetrische Augenpartie.
Sogar Karlmann, der Assistent (Felix Berchtold), sieht jetzt aus wie der neue Lette. Autor Marius von Mayenburg hat noch einige Elemente eingebaut, die die Komödie zur Farce werden lassen, und Regisseur Sven Prietz hat sie dankbar aufgenommen. Da taucht plötzlich eine reiche alte Frau auf, die Lette verführt, und zwar gemeinsam mit ihrem zur homosexuellen Attitüde neigenden Sohn. Allerdings sind sie sich bald nicht mehr sicher, wen sie da in ihrer Mitte haben – die sehen ja alle gleich aus. Auch Lettes Frau kann bald nicht mehr auseinanderhalten, mit wem genau sie ein außereheliches Verhältnis pflegt. Und am Ende weiß auch Lette selbst nicht mehr, wer er eigentlich ist: „Ich kann nicht leben ohne mich.“ Als die Geschichte komplett ins Groteske abzudriften droht, ist sie zu Ende erzählt. Genau rechtzeitig. Und die vier Mitglieder des Quartetts sind von Schauspielschülern zu Schauspielern geworden: mit einem großartigen Stück, wie sie es hoffentlich noch oft spielen werden – voller Tempo, Witz und Dynamik. Schon das Zuschauen hat wahnsinnig viel Spaß gemacht.

Quelle: RP

Sonntag, 1. April 2012

Schauspiel: Schauspieler Sven Prietz inszeniert „Der Hässliche“ für die Absolventen der Mannheimer Theaterakademie

Schauspiel: Schauspieler Sven Prietz inszeniert „Der Hässliche“ für die Absolventen der Mannheimer Theaterakademie


Schönheit ist nur eine abstrakte Größe

Er ist hässlich. Unfassbar hässlich. Eine Tatsache, Herrn Lette selbst bislang nicht bewusst, die sich nun zur unüberwindlichen Karrierebarriere auswächst - Handlanger Karlmann soll auf Geheiß des Chefs Lettes neuentwickelten "Starkstromstecker" an den Mann bringen. Dieser gilt zwar gemeinhin als inkompetent, sein Erscheinungsbild allerdings als ungleich weniger geschäftsschädigend. Zum Glück tut die moderne Medizin in Marius von Mayenburgs derber Komödie einen Lösungsweg auf: "Der Hässliche" wird zum unwiderstehlichen Glanzstück plastischer Chirurgie. Mittels mikrofonverstärkter OP-Orgie erfährt die Abschlussinszenierung der Theaterakademie Mannheim ihre folgenschwere Wendung, wachsen Lettes (Markus Schultz) berufliche und sexuelle Erfolge auf der reduzierten Felina-Areal-Bühne sprunghaft an, während Zuwendungen seiner Gattin (Canan Kir) in umgekehrt proportionalem Verhältnis schwinden.

Geschuldet ist das allein dem synthetischen, reproduzierbaren Antlitz. Es wird zum Verkaufsschlager seines Schöpfers (Benjamin Dami), und bald steht Lette einer sein Gesicht tragenden Phalanx gegenüber - der Mensch als entindividualisierte Ressource.
... Nationaltheater-Ensemblemitglied Sven Prietz versteht bei seinem Regiedebüt das maßvolle Haushalten mit dem schlüpfrigen Pointenreigen.
db
Quelle: Mannheimer Morgen, Montag, 02.04.2012
Foto: Simone Cihlar 

Plastische Chirurgie in Deutschland


Nach Angaben der Bundesärztekammer gab es im Jahr 2010 insgesamt 697 Plastische
Chirurgen in Deutschland und sie verzeichneten von allen Facharztgruppen den größten Zuwachs. Laut der Deutschen Gesellschaft für ästhetisch-plastische Chirurgie sind 80% aller Personen, die sich einer Schönheitsoperation unterziehen weiblich, wobei sich
zunehmend auch Männer einem Eingriff vornehmen lassen. Die meisten davon sind zwischen 40 und 50 Jahre alt, überdurchschnittlich gebildet und arbeiten in einem gehobenen Beruf. Häufig werden dabei Fettabsaugungen, Tränensäcke- bzw. Doppelkinnentfernungen vorgenommen und auch die Implantierung von Brustimplantaten nimmt zu. Bei beiden Geschlechtern ist die lasertechnische Gesichtsoperation (insbesondere die Faltenkorrektur) der beliebteste Eingriff, bei Frauen gefolgt von Fettabsaugungen und Lidplastiken, bei Männern von Lidplastiken und dem Entfernen von Tätowierungen. Erschreckend ist jedoch, dass insbesondere die Patiententinnen einer Schönheitsoperation immer jünger werden. 2008 war bereits ein Viertel der weiblichen Patienten erst zwischen 15 und 25 Jahren alt und die Tendenz ist stark steigend. Warum fühlen sich gerade so viele junge Menschen nicht mehr wohl in ihrer Haut? Ein Grund dafür ist sicherlich der gestiegene Konkurrenzkampf in der Gesellschaft und die generelle Zukunftsangst der deutschen Jugendlichen. Laut einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung hat etwa ein Drittel der 14- bis 20-Jährigen Angst, nach der Schulzeit keine Ausbildung zu bekommen und fast ebenso groß ist die Angst, entlassen zu werden. Sich einen entscheidenden Vorteil durch optische Schönheit zu verschaffen liegt somit sehr nahe. Ein anderer Grund, warum der Wunsch nach einer Schönheitsoperation bei Jugendlichen zugenommen hat, könnte die zunehmende Glorifizierung der Schönheit in den Medien sein. Sendungen im Fernsehen wie „Das perfekte Model“, „Das Model und der Freak“ und „Germanys next Topmodel“ sind nur einige Beispiele, wie jungen Menschen ein perfektes Schönheitsideal vorgesetzt wird, das sie erreichen möchten, um ihren Idolen aus dem Fernsehen zu gleichen. Die Verdrängung der inneren Werte zugunsten äußerlicher Makellosigkeit ist leider ein ebenso verbreitetes wie bedenkliches Thema.

Foto: Simone Cihlar